Meine Entscheidung Meereschildkröten zu retten, fiel relativ schnell nachdem ich mir die ersten Kataloge für Freiwilligenarbeit bestellt hatte. Ich hatte mich sofort in die Schildis aus dem Katalog verliebt und dachte wenn ich das Projekt mache, bin ich auf jeden Fall am Strand - und Strand sein ist immer gut ;) Ich habe mich dann für die Kombination mit 2 Wochen Sprachschule und 4 Wochen Freiwilligenarbeit entschieden.
In der Projektbeschreibung wurde schon explizit darauf hingewiesen, dass das Projekt kein Zuckerschlecken ist und man durchaus körperlich schwer arbeiten muss. So richtig vorstellen, konnte ich mir das nicht, aber ich habe es auch nicht groß hinterfragt, sondern wollte mir meine eigene Meinung vor Ort bilden. Ich bekam vorab schon Infos zum Projekt zugesendet, da es mehrere Projekte zum Schutz von Meeresschildkröten in Costa Rica gibt. Mein Projekteinsatzort war Camaronal, relativ in der Nähe von Samara, wo ich zur Sprachschule gegangen bin.
Während der Sprachschule habe ich weitere Freiwillige kennengelernt, die ebenfalls im Meeresschildkrötenprojekt arbeiten gingen. Zwei davon auch nach Camaronal. Sie sind auch bereits nach einer Wochen Sprachschule schon ins Projekt, also eine Woche vor mir. Ich war ziemlich überrascht als ich die beiden nach einem Tag bereits wieder in der Sprachschule getroffen habe, beide waren total aufgelöst, da das Projekt viel zu anstrengend gewesen sein soll, sie nur am Sand sieben in der prallen Sonne gewesen wären und ihre Hände voller Blasen wären. Davon habe ich mich nicht beunruhigen lassen, sondern wollte mir meine Meinung nach wie vor selbst bilden. In der Sprachschule wurde auch von einem anderen Projekt erzählt, wo man einen Pool und Wlan hätte, was es eben in Camaronal nicht gab.
Eine Woche später ging es dann auch für mich los, ich war an dem Tag, die einzige die ins Projekt fuhr, daher hatte ich ein Privatshuttle. Sonntag Mittags wurde ich vom Taxi abgeholt und wir fuhren los. Der Taxifahrer war echt mega crazy, hatte die ganze Zeit Bob Marley aufgelegt und sang vor sich hin. Wir sind keine 10 Minuten gefahren, als er an einem Kiosk hielt und sich was zu trinken kaufen wollte. Er fragte mich ob ich auch etwas möchte und ich sagte spaßeshalber "Cerveza" (Bier) - im Nachhinein keine gute Idee - denn er kam mit 5 großen Dosen Bier wieder zurück. Natürlich hat er sich auch direkt während der Fahrt sein Bier aufgemacht und genüsslich getrunken. Ich habe anstandshalber mitgetrunken. Die Fahrt war dann auch ganz lustig, wir haben uns gut unterhalten. Meinem Taxifahrer hat nur ein Bier nicht gereicht, sondern hat sich direkt das nächste gegönnt, als sein erstes Bier leer war. Dabei wurde mir dann langsam etwas mulmig.
An dem Tag hat es leider ziemlich geregnet und dadurch konnten wir nicht die normale Strecke nach Camaronal nehmen, da der Weg komplett überflutet war. Wir mussten dann einen rießigen Umweg fahren und waren gefühlt 1,5 Stunden unterwegs - mit jeder Menge Bier... Denn wir hielten nochmal an einem Kiosk an um Nachschub zu besorgen. Denn der gute Taximann hatte Durst und ich Angst :D Im Nachhinein kann ich echt gut darüber lachen und auch dort in der Situation hatte ich keine wirkliche Panik, es war nur alles sehr komisch, aber da ich nie vom schlimmsten ausgehe, dachte ich mir wird schon werden. Bis wir dann irgendwann angehalten haben und der Taxifahrer ausgestiegen ist und ich auch aussteigen sollte. Dann sind wir in eine Bar gegangen und wer hätte das gedacht, habe noch ein Bier getrunken und Fussball geschaut :D In der Bar hatte ich kurz Empfang und habe per SMS zwei Bekannten von der Sprachschule geschrieben, dass ich immer noch unterwegs bin und mir das komisch vorkommt. Die beiden hatten sich schlussendlich mehr Sorgen gemacht als ich. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, denke ich mir wieso zur Hölle bin ich ausgestiegen - aber no risk, no fun. Nach dem Bier sind wir dann weitergefahren und ich bin dann gegen Abend endlich im Projekt angekommen und wurde von meinem Ranger und den anderen Freiwilligen in Empfang genommen.
Die Station bestand aus einer großen Holzhütte mit Küche und Aufenthaltsbereich. Eine Holzhütte weiter, waren unsere Stockbetten. Bei meiner Ankunft konnte ich das alles noch garnicht wahrnehmen, da es schon mega dunkel war (und ich vlt. ein paar Bier getrunken hatte). Am nächsten Morgen ging es dann los....
Montag Morgens habe ich dann alle meine Mitbewohner und die Ranger kennengelernt. Wir waren ca. 8 Freiwillige in dem Projekt, aufgeteilt auf Deutsche, Amerikaner und Österreicher. Ich habe mich auf Anhieb gut mit allen verstanden. Sie dachten alle schon ich würde nicht kommen, weil die beiden vor mir abgebrochen hatten und ich erst so spät Abends aufgetaucht bin - aber die Taxifahrer-Bierstory hatten sie so auch noch nicht gehört :D Der erste Tag begann mit einem Frühstück. Es gab extra eine Köchin für das Projekt, die uns jeden Tag Frühstück, Mittagessen und Abendessen zubereitet hatte - und das wirklich richtig gut und lecker! Zum Frühstück gab es immer Reis mit Bohnen, daran hatte ich mich während der Sprachschule schon gewöhnt und mit der Zeit hat es mir auch richtig gut geschmeckt - mittlerweile esse ich das garnicht mehr...leider.. Nach dem Frühstück ging es an den Strand zum Sand sieben. Immer zwei Leute haben sich zusammen den Sieb genommen, einer hat Sand reingeschüttet und es wurde zu zweit gesiebt. Der Rest hat den gesiebten Sand verteilt. Das Sieben war wirklich anstrengend und trotz Handschuhe hatte jeder irgendwann Blasen an den Händen, aber es war auszuhalten und immerhin auch noch ein gutes Workout. Dabei standen wir auch noch in der prallen Sonne, aber schließlich heißt es ja auch Freiwilligenarbeit. Das ganze machten wir immer, ich glaube, 2 Stunden am Vormittag und 2 am Nachmittag, wobei ich mir gerade nicht mehr sicher bin ob es nur 2 Stunden jeweils waren. Ziel des ganzen Sand siebens war es eine Hatchery zu erbauen, also eine Aufzuchtstation für kleine Babyschildkröten. Dafür sollte ein Gehege erbaut werden, wo die Eier der Schildkröten hingebracht werden und die Schildkröten es leicht haben im gesiebten Sand zu schlüpfen und dabei nicht von Waschbären oder Vögeln gefressen zu werden.
Nach dem Abendessen stand dann meine erste Nachtpatrouille an. Wir wurden in zwei Schichten aufgeteilt, eine Schicht von 20 - 24 Uhr, die andere Schicht von 0 - 4 Uhr morgens. An meinem ersten Tag war ich durch das Sandsieben ganz schön kaputt und wusste überhaupt nicht wie ich die Nachtpatrouille überleben sollte, aber es führte kein Weg daran vorbei. Ich hatte zum Glück die Schicht, die um 20 Uhr began. Wir sind also an den Strand gelaufen, der schon komplett dunkel war um die Uhrzeit. Wegen der Schildkröten durften wir keine Taschenlampen benutzen, da das die Schildkröten blendet. Wir durften nur rote Taschenlampen benutzen. Also sind wir am Strand entlang gelaufen, bis wir eine Schildkröte gefunden haben, die ihre Eier am Strand ablegt. Als ich meine erste Schildkröte gesehen habe, war ich echt erstaunt - sie war viel größer als ich gedacht hatte :D und sie tat mir echt leid. Meeresschildkröten sind im Wasser echt gute Schwimmer, aber an Land sind sie so gut wie aufgeschmissen. Sie hat sich mir ihren Flossen aus dem Wasser raus und den Strand hoch gekämpft. Jeder Schritt im nassen Sand voran zu kommen, war so anstrengend das sie richtig auser Atem war. Wir mussten dann so lange bei der Schildkröte bleiben, bis sie ihre Eier abgelegt und das Loch zugegraben hatte - und das dauert. Sie hatte sich also allmählich den Strand hochgekämpft und war auf der Suche nach der geeigneten Stelle für ihre Eiablage. Als sie diese gefunden hatte, fing sie an ein Loch zu buddeln. Dann ging die Geburt los. Eine Schildkröte legt um die 70 - 100 Eier pro Geburt. Wir mussten alle Eier zählen und auf einem Protokoll vermerken. Unser Ranger kam in der Zwischenzeit dazu um die Schildkröte zu taggen und somit ihre Route zu verfolgen. Es war wirklich ein mega cooles Erlebniss. Es gibt viele Touren, die anbieten zur Eiablage der Schildkröten zu gehen. Dort steht man dann zu 20. um eine Schildkröte rum, die ihre Eier ablegt und jeder versucht Fotos zu machen. Ich war dort fast alleine und die Schildkröte war total entspannt. Nachdem sie alle Eier abgelegt hatte und das Loch zugebuddelt hatte, machte sie sich wieder zurück auf den Weg in den Ozean. Wir verwischten in der Zwischenzeit ihre Spuren im Sand um ihr Nest zu verstecken. Leider gibt es immer wieder Einheimische, die die Schildkröteneier ausgraben und auf dem Schwarzmarkt verkaufen, da es das Gerücht gibt, dass der Verzehr von Schildkröteneier die Potenz fördert. Nach der Geburt war meine Nachtpatrouille schon so gut wie vorbei - wie gesagt, so eine Schildkrötengeburt dauert. Wir sind dann zurück zur Hütte und ich bin tot in mein Bett gefallen.
Die nächsten Tagen liefen relativ gleich ab, tagsüber wurde Sand gesiebt und nachts Patrouille am Strand gelaufen. Langweilig wurde es nicht, da man jeden Tag am Strand verbringt und für mich gibt es nichts schöneres. An das Sand sieben gewöhnt man sich auch mit der Zeit und mit jedem Tag began die Hatchery Form anzunehmen. Mein Highlight während einer Nachtpatrouille war als wir eine Schildkröte gefunden hatten, die nicht mehr vorwärts kam und wie wild mit ihren Flossen um sich geschlagen hatte. Ich bin dann hin und habe gesehen, dass ihre linke Flosse unterm Kiessand eingeklemmt war und sie sich total festgefahren hatte. Also begann ich ihre Flosse mit meinen Händen freizuschaufeln, bis sie wieder frei war und habe somit tatsächlich eine Schildkröte gerettet :) Daran erinnere ich mich heute immernoch gerne.
Ein anderes Mal haben wir eine Schildkröte gefunden, die einen kleinen Hang heruntergefallen ist und auf dem Rücken gelandet ist. Wir mussten sie zu zweit wieder umdrehen, weil sie so schwer war. Da sieht man leider, dass die Meeresschildkröten an Land teilweise etwas aufgeschmissen sind und es immer wieder gut ist, wenn Freiwillige vor Ort sind um zu helfen.
Meine krasseste Erfahrung war als uns während einer Nachtpatrouille ein Tropengewitter überrascht hat. Man kennt vielleicht den Tropenregen bei dem es einfach wie aus Eimern für ca. 10 Minuten schüttet. Genau das war der Fall, nur gepaart mit Donner und Blitz und das eben genau am Strand und mitten in der Nacht bei tiefster Dunkelheit. Wo soll man sich bei Gewitter nicht aufhalten? - Am Strand, genau. Da standen wir also mitten im Regen und bei Donner und Blitz. Wir wussten erst garnicht ob wir nun die Patrouille abbrechen dürfen oder nicht, bis uns ein Ranger gerufen hat wir sollen zurück zur Hütte rennen. Ich bin gerannt, wie ich noch nie in meinem Leben gerannt bin, Der Donner war so laut, als ob das Gewitter direkt über uns wäre. Also bin ich gerannt, ich wusste nicht genau wohin, da es zwischen den Blitzen einfach stockfinster war. Schließlich sah ich schon unsere Hatchery und wusste ich war kurz davor in Sicherheit zu sein, bis es auf einmal ca. 1 Meter vor mir für ca. 30 Sekunden blitzhell und grell war. Ich war so geblendet, dass ich nicht weiterlaufen konnte - da realisierte ich, dass da gerade ein Blitz direkt vor mir eingeschlagen ist. Ich nahm meine Beine in die Hand und bin die letzten Meter hoch zur Hütte gerannt und war in Sicherheit. Niemandem von unserer Gruppe ist etwas passiert, aber wir waren alle geschockt und mitgenommen. um Glück musste ich das nur einmal erleben.
Als das erste Wochenende anstand, welches man als Freiwilliger frei, ist ein Teil unserer Gruppe nach Samara gefahren um dort das Wochenende verbringen. Ich und drei andere entschieden uns im Projekt zu bleiben, abseits von der Zivilisation und einfach die Natur zu genießen.
In der zweiten Woche mussten wir keinen Sand mehr sieben, sondern begannen die Hatchery mit Baumstämmen als Zäune zu bauen. Dafür wurden wir von unseren Rangern in den Wald gefahren um Bäume fällen und die Stämme zu zersägen. Die absolute beste Aktion war allerdings, als wir ein kleines Holzhäusschen, dass bereits am Strand stand, jedoch gute 200m von unserer Hatchery weg, an unsere Hatchery stellen wollten. Der Plan war dieses Häuschen dort rauszuheben und bei der Hatchery wieder aufzustellen. Bei dem Versuch das Häuschen hinzustellen, fiel es in sich zusammen...und wir bauten es wieder komplett auf..
Es war wirklich cool mit anzusehen, wieviel wir in den zwei Wochen erreicht hatten und die Hatchery war so gut wie fertig, um die ersten Schildkröteneier aufzunehmen. Da jedoch der Großteil der Gruppe in der zweiten Woche abgereist ist und ich von meinen Bekannten gefragt wurde, ob ich mit nach Panama reisen möchte, entschied ich mich ebenfalls das Projekt zu verlassen. Der Abschied war in der Tat etwas traurig, da wir echt eine coole Truppe waren und sich so die Wege wieder trennten.
Zum Projekt Schildkröten retten muss ich sagen, war die beste Entscheidung und die beste Erfahrung meines Lebens. Einfach komplett abseits der Zivilisation ohne Handy, ohne Internet in der reinen Natur leben, tut in der heutigen Zeit echt gut. Die Schildkröten haben mir es total angetan und wenn man so nah an den Tieren drangewesen ist, sieht man deren Situation nochmal anders. Mein größter Traum wäre es nochmal in einem Schildkrötenprojekt zu arbeiten, wenn die Babyschildkröten aus ihren Eiern schlüpfen, aber das werde ich bestimmt noch erleben.
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